Stärkung der Willenskraft durch Coaching
Kann Coaching die Stärkung der Willenskraft befördern? Ist der Wille eines Menschen eine sich in angespannten Situationen erschöpfende Ressource? Oder ist es Einstellungssache, wie viel man sich zu leisten zutraut und damit auch zu leisten imstande ist? Ein interessanter Ansatz der psychologischen Forschung, der Gegenstand eines Coachings in verschiedenen Anwendungsbereichen sein könnte. Die Willenskraft als Eigenschaft, die Selbstkontrolle in leistungsbezogenen Situationen zu aktivieren, wird oft als limitierte und sich in der Phase der Anspannung erschöpfende Ressource angesehen.
Das oft zitierte „strength model of self control“ geht davon aus, dass Selbstregulation Ressourcen verbrauche, die limitiert sind, den Menschen in einem Zustand der Erschöpfung zurücklasse und er weniger gut in der Lage sei, seine Willenskraft bei der Lösung nachfolgender Aufgaben zu aktivieren.
Forscher der Universität Zürich sind da anderer Meinung. Ihren Forschungen zufolge hängt die Stärke des eigenen Willens davon ab, wie viel man diesem zutraut. Menschen, die ihre Willenskraft nicht als beschränkte Ressource ansehen, widerstehen Ablenkungen besser und sind in der Lage, mehr zu leisten. Wer hingegen glaubt, der Wille habe seine Grenzen, ermüde bei geistig herausfordernden Aufgaben schneller, sagt die Studienleiterin Veronika Job.
In mehreren Studien untersuchten die Forscher, welche Einstellung die Testpersonen zu ihrer Willensstärke hatten. Die Testpersonen wurden außerdem gezielt beeinflusst, zum Beispiel durch die folgenden Aussagen: „Nach einer anstrengenden Aufgabe ist Ihre Energie verbraucht, Sie benötigen eine Erholungspause.“ bzw. „Ihr Durchhaltevermögen wird durch die Aufgabe gestärkt; Sie sind in der Lage, weitere Aufgaben zu lösen.“ Diejenigen Personen, die überzeugt waren, dass ihre Willenskraft eine natürliche Grenze habe und in dieser Richtung beeinflusst wurden, schnitten in den folgenden Tests schlechter ab, ermüdeten eher, ernährten sich ungesünder, ließen sich schneller ablenken und schoben unangenehme Aufgaben häufiger auf.
Die Forscher fassten zusammen, dass Erschöpfung nach einer schwierigen Aufgabe nicht zwangsläufig durch eine tatsächlich aufgebrauchte Ressource entsteht, sondern häufig dadurch, wie Menschen ihre Ressourcen, ihre Leistungsfähigkeit selbst einschätzen. Sie wären oft zu mehr in der Lage, als sie von sich selbst annehmen.
Eine interessante Schlussfolgerung, die für viele Menschen Bedeutung in ganz praktischen Alltagssituationen haben könnte. Man denke an Diabetiker, die gezielt auf ihre Ernährung und regelmäßige Kontrolle ihrer Blutzuckerwerte achten müssen, an Menschen, die in einer Suchttherapie stehen, an Studenten mit übervollen Studienplänen. Gestärkte Willenskraft kann dort nützlich sein, wo man Gefahr läuft zu scheitern und gestellte Aufgaben nicht erfüllen zu können.
Willenskraft kann unterschiedliche Facetten haben, wie der Motivationsforscher Jürgen von der TU München erklärt. Lähmend wirkt die als „preußische Disziplin“ sattsam bekannte Selbstkontrolle. Der ausgeübte Zwang beansprucht so viel Energie, dass man mit der Zeit ermüdet. „Ich kann, weil ich will, was ich muss“, wie Immanuel Kant es formulierte. Eine andere Seite der Willenskraft, die Selbstregulation, ist dagegen theoretisch unbegrenzt vorhanden. Ressourcen werden mobilisiert, indem wir uns positive Anreize für die Bewältigung einer Aufgabe suchen. Ohne Frage befördern Erfolgserlebnisse diesen Prozess und beflügeln und uns für weitere Projekte.
Genau hier könnte ein Coaching zur Willensstärkung ansetzen und positive Gefühle aktivieren, vielleicht indem die situationsbezogen richtigen Fragen gestellt werden:
- Was ist toll an der zu lösenden Aufgabe?
- Welche Strategie, welche besondere Fähigkeit hilft mir weiter?
- Welche Stärken habe ich, die ich zielgerichtet einsetzen sollte?
- Welches Ziel steht hinter der gelösten Aufgabe?
- In welchen vergleichbaren Situationen war ich erfolgreich, und was hat mir dabei geholfen?
Auch bewusst gesetzte körperliche Signale können die Selbstregulation stärken. Eine aufrecht gehaltene Wirbelsäule stärkt unser Selbstwertgefühl. Wichtig ist, dass wir uns unserer Möglichkeiten und Fähigkeiten bewusst sind – oder es mit Hilfe eines Coaches werden, um diese in entsprechenden Situationen adäquat einsetzen zu können. Und versuchen wir, Aufgaben positiv, nicht als unangenehme Stressfaktoren zu betrachten. Vielleicht hilft dabei, was Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi schrieb:
Das Glück besteht nicht darin,
dass du tun kannst, was du willst,
sondern dass du immer willst, was du tust. Tolstoi
Job, V., Dweck, C.S., Walton, G.M. (2010): Ego depletion – is it all in your head? Implicit theories about willpower affect self regulation.- Psychological Science. http://pss.sagepub.com/content/early/2010/09/28/0956797610384745.abstract
Autor: SL - 2. Dez 2010 - Kategorie: Coaching - Kommentar schreiben